Direkt zum Inhalt wechseln

KE FUESSBAU MIT RED BULL?

Die Freude ist gross, YB hat sich für die Gruppenphase der Champions League qualifiziert. Ganz Bern fiebert nun der Auslosung der Champions League entgegen. Gebannt sitzen die YB-Fans zuhause auf ihren Sofas, im ÖV vor ihren Smartphones oder aktualisieren gebannt immer wieder einen Liveticker auf ihrem Laptop. Nach fünfzig Minuten Wartezeit ist es endlich so weit. YB wird gezogen, landet in der absoluten Hammergruppe G und zum zweiten Mal innert Wochenfrist kochen die Berner Gemüter hoch, Menschen umarmen sich und in den Gaststätten wird auf die Gruppe und die Losfee angestossen. Die Gruppe G, bestehend aus vier Fussballvereinen mit einer langen und glorreichen Geschichte, neuen und eindrückliche Stadien und aktiven Fanszenen. Die fussballverrückten Gemüter sind zufrieden.
Es hätte so schön sein können…
Doch es ist keine Freude, die in städtische Wohnzimmer dringt, kein Jubelschrei, der die Pendlerschaft im Feierabendverkehr aufschrecken lässt. Die Losfee hat es nicht gut mit uns gemeint. Manchester City, RB Leipzig und – zum wiederholten Male – Roter Stern Belgrad heissen die Gegner und selbst unser Sportchef Steve von Bergen wirkt auf den TV-Bildern konsterniert. Anstatt Reisepläne zu schmieden, sind es andere Themen, die die YB-Fans kurz nach Bekanntgabe der Lose beschäftigen. Innert Sekundenfrist folgen die Diskussionen – und das zu Recht.

Mit Rasenball – das eigentlich für Red Bull steht – Leipzig haben wir einen Gegner zugeteilt bekommen, der all unseren Werten und Überzeugungen zuwiderläuft. Wir als Fussballfans schätzen Traditionen, eine gewisse Vereinsfolklore, unsere Farben und unseren Namen. Man stelle sich vor, unser geliebtes YB würde von einem multinationalen Unternehmen zu Werbezwecken aufgekauft. Der Klubname würde sich ändern, die Vereinsfarben wären neu, die Heimstätte würde erneut umbenannt und die in diesem Jahr zelebrierten 125 Jahre Geschichte würden ausradiert. Das neue Konstrukt brächte vielleicht noch grössere Erfolge, doch der Verein, den wir alle auch um seiner Identität willen lieben, würde aufhören zu existieren.

Auch wenn dies reichlich unrealistisch klingt, fielen genauso zwei Vereine – der kleine Dorfklub SSV Markranstädt und das traditionsreiche Austria Salzburg – dem Marketingkonstrukt des Red Bull-Konzerns zum Opfer. Aus diesem Grund kämpfte die aktive Fanszene im Frühling 2016 auch vehement gegen ein arrangiertes Testspiel gegen RB Salzburg. Mit dem Slogan „Öb Pflicht- oder Teschtspiu, ke Fuessbau mit Red Bull!“ reiste man durch die Schweiz und sensibilisierte Fans, Zuschauende und Medienschaffende zu diesem Thema. Wobei wir festhalten wollen, dass wir in unserem Begleittext zur damaligen Kampagne betont haben, dass für uns ein klarer Unterschied zwischen freiwillig ausgemachten Testspielen und zugelosten Pflichtspielen besteht, daran hat sich auch in den gegenwärtigen Diskussionen nichts geändert. (Das Communiqué zur Kampagne 2016 kann hier nachgelesen werden: https://www.ostkurve.be/stellungnahme-zum-geplanten-testspiel-gegen-rb-salzburg/)

Nun sind sechseinhalb Jahre vergangen und wir müssen, genau wie Fussballfans weltweit, konsterniert feststellen, dass alles noch schlimmer ist, als es jemals zuvor war. Das Multimilliardengeschäft Fussball ist zu einem noch grösseren, noch kommerzialisierteren und noch unmoralischeren Monster herangewachsen. Ganze Staaten, die durch die Übernahme von grösseren und kleineren Klubs passives Sportswashing betreiben, WM-Vergaben an Länder, in denen die Demokratie und die Menschenrechte mit Füssen getreten werden und mehr oder weniger exzentrische Geldgeber:innen, die sich zum Spass und ohne Know-How einen Klub kaufen können, gehören zur Tagesordnung. Alle wollen am Fussball mitverdienen und ihn noch mehr zu einer Dauerwerbeveranstaltung machen.

Dies könnte nicht besser auf unsere Gruppe G zutreffen. Neben dem Werbekonstrukt aus Leipzig, das schamlos offen dazu steht, als lebende Werbebande zu existieren, sind auch unsere anderen Gegner, die etablierten Traditionsvereine Manchester City und Roter Stern Belgrad, nicht über alle Zweifel erhaben. Beim genaueren Betrachten der Sachlage fällt nämlich auf, dass auch durch ManCity – ein subtileres – Sportswashing betrieben wird, das darauf abzielt, die Vereinigten Arabischen Emirate und deren Menschenrechtsverstösse in ein besseres Licht zu rücken. Und auch Roter Stern Belgrad, mit seinem russischen Hauptsponsor Gazprom, der nachweislich den Angriffskrieg auf die Ukraine unterstützt, zeigt klar auf, dass der Fussball mehr und mehr zu einem dreckigen Geschäft avanciert ist. Kommerz, Korruption, Geldwäsche und moderne Sklaverei sind nicht nur bei einigen Vereinen, sondern auch bei UEFA und FIFA an der Tagesordnung und somit in den letzten Jahren fester Bestandteil des Sports geworden. Die kommende CL- Reform ab 2024, mit mehr Spielen und noch mehr Geld, ist nur ein weiteres Beispiel dieser traurigen Entwicklung. So mancher Fussballfan fragt sich, was in den kommenden Jahren noch alles auf uns zukommen könnte. Erfolg und guter Fussball, aber zu welchem Preis? Trotz allem lieben wir Fussball, lieben wir YB und wollen unseren Herzensverein unterstützen. Genau hier liegt der Gewissenskonflikt, dem jede:r Fussballliebhaber:in in der heutigen Zeit ausgesetzt ist.

Aus diesem Grund haben wir uns nach langem Hin- und Her, langen Diskussionen und im Hinblick darauf, dass unser Verein auf unsere Unterstützung zählt, dazu entschieden, die beiden Spiele gegen RB Leipzig zu besuchen und unser Team lautstark zu unterstützen. Gemeinsam wollen wir ein Gegenentwurf zum hochkommerzialisierten, immer mehr von Werbung, Sponsoring und dubiosen Investor:innen geprägten Geschäft Fussball sein. Zusammen stehen wir ein für einen Sport für alle, für den es kaum mehr braucht als einen Ball, ein Stück Rasen und zwei Tore.

In diesem Sinne sagen wir auch heute noch mit Überzeugung „Nei zu Fuessbau mit Red Bull“, „Nei zum Kommerz“ und „Nei zum moderne Fuessbau“!

HOPP YB

gäubschwarzsüchtig
OSTKURVE BERN